Beatrix Wicki

Sitzaufgabe (heute: "wickiseats")

Mit ihren „Sitzaufgaben“ (heute: "wickiseats") schlägt Beatrix Wicki eine überraschend neue Richtung auf dem Weg der künstlerischen Bearbeitungen des Stuhlthemas ein. Dieses „Neue“ drückt sich nicht in exotischen Materialkombinationen oder im Auffinden phantasievoller Stühle aus. Es beruht vielmehr auf einem subtilen Akt der Transformation, in dem Stühle ihren instrumentellen Charakter abstreifen und nun frei werden, menschliche Eigenschaften und innere Lebenshaltungen offen zu legen. Überhaupt sperren sich die „Sitzaufgaben“ (heute: "wickiseats") gegen statische Lebensmodelle. Sie führen ein „nomadenhaftes Dasein“ und veranschaulichen ein Spannungsfeld, in dem jeder von uns steht: Das Bedürfnis nach Statik einerseits und die Suche nach Bewegung andererseits. Beatrix Wicki wählt den Stuhl zum Gegenstand einer innovativen künstlerischen Recherche, die das Sitzmöbel auf menschliche Verhaltens- und Lebensweisen hin befragt. Stets geht es ihr darum, den Stuhl als fixierten Ort des Sitzens hinter sich zu lassen.

Die Unruhe, welche Wickis „Sitzaufgaben“ (heute: "wickiseats") in unser Leben bringen, ist durchaus beabsichtigt. Sie führen uns ein Leben im Übergang vor Augen. Der plastische Charakter der „Sitzaufgaben“ (heute: "wickiseats") macht sie zu anthropomorphen Spiegeln unsrer selbst. Werke wie „Kneifer“ (2004) und Selbst-Beherrschung (2004) veranschaulichen unterschiedliche Verhaltensweisen des Menschen – sei es Konfliktscheu, sei es Unterdrückung – im Umgang mit sich und anderen. Im Werk von Beatrix Wicki finden sich aber auch solche „Sitzaufgaben“, die auf die traditionelle Funktion des Stuhls zu beharren scheinen und in ihren Posen Machtansprüche demonstrieren („König Kopffüssler“, 2003). Wieder andere Arbeiten, wie der „Befreier“ (2005), erweisen sich als überraschende, künstlerische Neuformulierungen, die den Gekreuzigten zwischen den theologischen Bedeutungsfeldern des göttlichen Throns und dem Thronverzicht (Menschwerdung) ansiedeln.

Mit diesen wenigen Beispielen ist das breite Oeuvre der Künstlerin nur annähernd umrissen. Die sparsam gewählten Mittel, erlauben es der Künstlerin, ein variantenreiches Arbeiten mit einer konsequenten künstlerischen Suche zu vereinen. Wir dürften gespannt sein, wie Beatrix Wicki - parallel zu den industriellen Stuhlproduktionen unserer modernen Gesellschaft – dem Sitzmöbel Bedeutungsfelder abgewinnt, die uns etwa vom Leben erzählen.

Text: Dr.Nicolaj van der Meulen, Kunsthistoriker an der Universität Basel

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